Geboren in Kolumbien. Psychologin und Kognitionstherapeutin mit Schwerpunkt Migrationsprozesse. Sängerin und Schriftstellerin.
Gründungsmitglied von Xochicuicatl.
Amalia ist eine Frau, die auf der Grundlage ihrer Lebenserfahrung einen beruflichen und künstlerischen Weg gesucht hat.
Amalia, die Mitte der 80er Jahre nach Berlin kam, hielt sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Dank ihres Linguistikstudiums fand sie schließlich eine feste Stelle als Spanischlehrerin an einer Volkshochschule, was ihr genügend finanzielle Sicherheit gab, um an der Universität ein weiteres Studium aufzunehmen.
„An der Technische Universität Berlin waren wir als ausländische Studierende isoliert und fremd, besonders an der Fakultät für Psychologie, wo wir im Vergleich zu anderen Fakultäten sehr wenige waren. Beim Versuch, diesem Zustand der Isolierung zu entkommen, stieß ich auf ein Angebot für kritische Reflexion an der Fakultät für Erziehungswissenschaft: Was damals widersprüchlicherweise als „Dritte-Welt-Stelle“ bezeichnet wurde, war ein Treffpunkt für Studierende und Dozenten aus Deutschland, Afrika und Lateinamerika, um sich über ihre Sorgen auszutauschen. Man hatte dort die Möglichkeit die verschiedenen Perspektiven auf unsere Welt offen zu hinterfragen. Gleichzeitig bildete sich eine engagierte Frauengruppe von Dozentinnen und Studentinnen von verschiedenen Kontinenten heraus, in der das Bedürfnis aufkam, einen Ort von Migrantinnen für Migrantinnen zu schaffen. Ich beteiligte mich in dieser Gruppe, wo ich mich willkommen fühlte und Hilfsbereitschaft fand. Sie wurde auch von den deutschen Frauengruppen unterstützt, die ihrerseits für die Gleichberechtigung und Anerkennung der deutschen Frauen kämpften, vor allem in der Politik und in der Arbeit. Das Migrantinnenkollektiv gewann immer mehr an Stärke, und kurz vor dem Mauerfall 1989 wurde – mit der wichtigen Unterstützung von Anne Klein, Berliner Senatorin für Familie, Frauen und Jugend (1989-1990) – das erste interkulturelle Frauenprojekt in Westdeutschland ins Leben gerufen, das wir auf den afrikanischen Namen NOZIZWE tauften. Bei diesem Projekt war ich Leiterin und Teilnehmerin von Workshops zu verschiedenen Themen. Dieses Frauenkollektiv, das aus der sogenannten „Dritte-Welt-Stelle“ entstanden war, half mir dabei zu erkennen, dass ich nicht allein war, sondern dass es anderen Frauen ganz genauso wie mir erging. Außerdem half es uns natürlich dabei, ein politisches Bewusstsein auszubilden und uns zu ermächtigen.“
Rund um die Schreibwerkstatt: „Während die rassistische Gewalt nach dem Mauerfall in Berlin zunahm, vertrat ich 1990 NOZIZWE bei einer Konferenz von Frauen, die die antirassistische Arbeit in Deutschland und Südafrika unterstützten. Dort lernte ich die deutsche Schriftstellerin und Journalistin Christiane Barckhausen kennen, eine große Kennerin der lateinamerikanischen Kulturen und Literaturszene. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt gerade das Interkulturelle Zentrum S.U.S.I. gegründet und lud mich ein, an einem Treffen von lateinamerikanischen Dichterinnen teilzunehmen.“
Bei eben diesem Treffen sollten Christiane Barckhausen, Amalia Valenzuela und die kolumbianische Psychologin Sonia Solarte vereinbaren, gemeinsam eine Schreibwerkstatt für lateinamerikanische Frauen in Berlin durchzuführen. S.U.S.I. würde dabei die Finanzierung sicherstellen. „Am Anfang übernahmen Sonia Solarte und ich die Koordination der Schreibwerkstatt. Das war während meines Psychologiestudiums. Die „Schreibwerkstatt Xochicuicatl“ fand bei den Berliner Lateinamerikanerinnen großen Anklang. Mit der Veröffentlichung des Buchs Blumengesänge im März 1992 mit Texten der Teilnehmerinnen feierte sie einen ihrer großen Erfolge.“
Gründung des Lateinamerikanischen Frauenvereins Xochicuicatl: „In der lateinamerikanischen Gemeinde Berlins bestand ein großes Bedürfnis sich zu äußern und zu kommunizieren, und die Schreibwerkstatt Xochicuicatl wurde zu einem Ort der Reflexion über die individuellen und kollektiven Erlebnisse, die mit der Migration zu tun hatten, zu einem Ort der kreativen Selbsthilfe für die lateinamerikanischen Frauen. So kam es, dass sich ausgehend von der Schreibwerkstatt, der S.U.S.I. eine Plattform geboten hatte, und dank der Unterstützung einiger deutscher Frauen wie Karin Bergdoll der Traum etlicher Lateinamerikanerinnen verwirklichen ließ: ein eigener Verein als Anlaufstelle, um ihre Erfahrungen zwischen den Kulturen auszutauschen. Die Mehrheit derer, die an der Schreibwerkstatt teilnahmen, beteiligten sich ebenso aktiv mit ihren Ideen und ihrer Kreativität, um am 15.01.1992 offiziell Xochicuicatl e.V. zu gründen.“
„Zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Schreibwerkstatt stellten wir uns die Aufgabe, Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen zu organisieren, die den Lateinamerikanerinnen Sorgen bereiteten. Wir suchten uns Orte, um Workshops zu diesen Themen abzuhalten, solange wir keinen eigenen Ort hatten. Die meisten Frauen halfen mir auch dabei, die im Kollektiv entstandenen Ideen zu Papier zu bringen, um auf Deutsch ein erstes Vereinskonzept zu erstellen (das dankenswerterweise von der Psychologin Lea Zander korrigiert wurde). Dieses Konzept stellte ich dem Berliner Senat vor, der es akzeptierte und seine finanzielle Unterstützung zusagte.
Über Xochi: „Erster Stein, auf dem ein Ort aufgebaut wurde, um die Präsenz lateinamerikanischer Frauen in Deutschland und ihren aktiven und kreativen Beitrag zur Integration und zu Veränderungen in der Bevölkerung Deutschlands sichtbar zu machen.“
Amalia ist eine Frau, die auf der Grundlage ihrer Lebenserfahrung einen beruflichen und künstlerischen Weg gesucht hat: „Ich habe mich oft verloren und wiedergefunden. Bei der Verarbeitung aller meiner Erlebnisse versuche ich mit der Distanz einer Expertin über alternative Möglichkeiten nachzudenken, um mir meine Migrantinnenidentität zu bestätigen. Ich möchte meine Erfahrungen teilen, damit viele andere Migrantinnen so wie ich ihre Ziele erreichen können. Stolz habe ich mir vorgenommen, sichtbar und kreativ zu sein, Raum zu gewinnen. Sichtbar zu sein macht dich aber auch verletzlich. Es schließt dich gleichzeitig ein und aus. Aber trotz dieses Widerspruchs müssen wir versuchen, uns ausgehend von unserer Verschiedenheit in die neue multikulturelle Gesellschaft zu integrieren.“
Berlin, November 2016
Interview und Text: Diomar González Serrano
Übersetzung: Laura Haber